Auch wenn Menschen objektiv die gleichen Belastungsfaktoren durch den Corona-Lockdown erleben, sind die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit sehr unterschiedlich. Welche psychosozialen Faktoren die Resilienz besonders fördern, untersuchte ein internationales Forschungskooperativ mit mehr als 60 beteiligten Wissenschaftler*innen im ersten Corona-Lockdown[1]. Über 15.000 Probanden aus 24 Ländern haben sich an dieser Studie beteiligt. Zunächst wurden dafür ihre jeweiligen persönlichen Belastungsfaktoren ermittelt. Dazu wählten die Befragten anhand einer Liste die Stressoren aus, mit denen sie durch den Lockdown konfrontiert waren. Dazu gehörten z.B. finanzielle Einbußen, Verlust sozialer Kontakte, Probleme in der Kindebetreuung oder Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe. Die Forscher konnten daraus ableiten, welche Studienteilnehmer wie stark von den Lockdown-Maßnahmen persönlich betroffen waren. Diese Faktoren setzten sie dann in Bezug zu dem jeweiligen Stresserleben der Befragten. Dabei zeigte sich, dass auch bei gleichen äußeren Belastungen der psychische Stress unterschiedlich stark ausgeprägt war. Die Forschergruppe ermittelte dann anhand der aus Langzeitstudien bekannten Resilienzfaktoren, welche davon besonders gegen den Stress des Corona-Lockdowns schützten.
Welche Resilienz-Faktoren sind laut der Studie im Corona-Lockdown besonders wichtig?
Als Ergebnis der Studie zeigte sich, das folgende Faktoren besonders helfen, um mit den Lockdown-Bedingungen der Corona-Maßnahme gut zurechtzukommen:
Optimismus: Wem es trotz schlechter Bedingungen gelingt, zuversichtlich zu bleiben und positiv in die Zukunft zu blicken, leidet weniger unter den Lockdown-Belastungen.
Einen Sinn finden: Menschen, denen es gelingt, in der Situation etwas Positives, eine Chance oder einen Sinn zu sehen, waren resilienter als Menschen, denen dies nicht gelang.
Selbstwirksamkeit: Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und daran, die anstehenden Herausforderungen gut bewältigen zu können, hat sich ebenfalls als Schutzfaktor gezeigt.
Soziale Unterstützung: Allein die Erwartung, bei Bedarf auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen zu können, hilft bei der psychischen Bewältigung der Pandemie.
Gelassenheit: Personen, die zu Neurotizismus tendieren, d.h. nervös und leicht reizbar sind, wurden vergleichsweise stark von den Lockdown-Bedingungen belastet. Menschen, die wenig Neurotizismus zeigten und eher gelassen sind, kommen hingegen besser mit den Corona-Stressoren zu recht.
Wie lassen sich diese Erkenntnisse aus der Corona-Resilienz-Studie für den Alltag nutzen?
Auch wenn die Lockdown-Maßnahmen für viele Menschen herausfordernde Belastungen mit sich bringen, hat jeder durchaus selbst Einfluss darauf, wie gut er durch die Krise kommt. Wer seine persönliche Resilienz in der Corona-Zeit stärken will, kann die Erkenntnisse der Studie dazu nutzen. Die folgenden Methoden können helfen, die in der Studie genannten Resilienz-Faktoren zu stärken:
Sich einen optimistischen Blick bewahren:
Realistischer Optimismus hat sich immer wieder in Studien als wichtiger Resilienzfaktor gezeigt. Dabei geht es nicht darum, Negatives auszublenden oder nur positiv zu denken. Optimistischen Menschen gelingt es, trotz aller Herausforderungen und Probleme, ihre Aufmerksamkeit auf das vorhandene Positive zu richten und daran zu glauben, dass auch die Zukunft Gutes bereithalten wird. Sich das Gute im Leben trotz aller Schwierigkeiten bewusst zu machen und dankbar für die vorhandenen Segnungen zu sein, gilt als eine der wirksamsten Methoden der Positiven Psychologie. Wer sich bewusst auf das vorhandenen Gute im eigenen Leben konzentriert und dafür echte Dankbarkeit spürt, wird langfristig glücklicher und optimistischer. Das hilft insbesondere in Krisenzeiten wie die Studien von Martin Seligman mit in Afghanistan stationierten Soldaten belegen[1]. „Count Your Blessings“ – gehe auf die Jagd nach allem Positivem im Leben lautet hier das Motto.
Einen Sinn in der Krise finden, etwas Positives darin sehen, Chancen suchen und nutzen:
Der Zukunftsforscher Matthias Horx beschreibt in seinem Buch „Die Zukunft nach Corona“[2] wie sich nach historischen Krisen die Gesellschaft weiterentwickelt hat: Die mittelalterliche Pest eröffnete die Möglichkeit für die Renaissance. Der Brand von Lissabon veranlasste Voltaire zu einer Schrift, die den Beginn der Aufklärung einläutete. Krisen werden zur Chance, wenn sie für Wandel genutzt werden. Sie eröffnen Entscheidungsraum. Wie dieser ausgeschöpft wird, hängt vom jedem Einzelnen mit ab. Voraussetzung dafür ist, sich von starren Erwartungen zu lösen und sich stattdessen den Möglichkeiten zuzuwenden. Krisen sind unbequem und lassen sich nur mit Flexibilität und Kreativität bewältigen, statt mit der Forderung, das alles wieder so werden soll, wie es mal war. Horx empfiehlt dafür eine Methode, die er als Re-Gnose bezeichnet – eine Selbst-Veränderung durch rückblickende Vorausschau. Dafür versetz man sich in ein vorgestelltes zukünftiges Ich, dem es gelungen ist, die Krise zu bewältigen. Aus dieser Perspektive, kann man dann kreative Lösungen suchen und dafür konkrete Handlungsschritte definieren. Grundsätzlich ist es auf jeden Fall hilfreich, immer wieder zu reflektieren: Wie kann ich die Krisen-Zeit gut für mich nutzen? Was will ich für mich aus der Krise lernen und mitnehmen? Wo und wie kann ich mich engagieren? Was kann ich in meinem Leben neu machen und ausprobieren? Wie schaffe ich für mich persönlich einen Sinn in meinem Leben wie auch in der Krise? Aus dem Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky ist bekannt, dass „Sinn“ ein zentraler Faktor ist, der Gesundheit fördert. Jeder hat die Möglichkeit, die Ressource „Sinn“ für sich selbst zu aktivieren.
Bodo Jansen, Inhaber der Upstalsboom-Hotelkette und Autor berichtete in einer Talkshow von seiner Methode mit der Corona-Krise umzugehen. Er stellt sich jeden Morgen drei Fragen: Für was bin ich heute dankbar? Welche Chance will ich heute nutzen? Welche Einstellung will ich heute wählen, um gut durch den Tag zu kommen?[3] Eine solche Herangehensweise an den Tag kennzeichnet resiliente Menschen.
Selbstwirksamkeit erleben:
Der Begriff „Selbstwirksamkeitserwartung“ bezeichnet den Glauben, durch eigene Fähigkeiten etwas bewirken zu können. Selbstwirksamkeit entsteht immer durch Handeln. Wer Selbstwirksamkeit erleben will, muss aktiv werden. Durch aktives Handeln entwickeln und erweitern wir Fähigkeiten. Das Gehirn belohnt die Weiterentwicklung und die Bewältigung von Herausforderungen mit der Ausschüttung von Dopamin. Wir spüren dies als Erfolgserlebnis. Wer Selbstwirksamkeit erleben will, sollte also trotz der Einschränkungen verbleibende Handlungsfelder erkunden und diese nutzen. Dies fördert das Gefühl, auch in der Krise Kontrolle über das Leben zu haben. Dies gelingt am besten, wenn man sich Ziele setzt und überlegt, mit welchen konkreten Schritten diese erreicht werden können. Es hat sich dabei als hilfreich erwiesen, sich auch über mögliche Hindernisse und Rückschläge Gedanken zu machen und sich zu überlegen, wie man diese überwinden kann.
Soziale Unterstützung:
„Geteiltes Leid ist halbes Leid“ sagt der Volksmund. Wer sich gut aufgehoben in einem sozialen Netzwerk weiß, kommt besser durch die Krise. Ein soziales Netzwerk lässt sich auch bei Kontaktbeschränkungen nutzen und weiter ausbauen. Auch dies erfordert jedoch Aktivität und Eigeninitiative. Freundschaften und Beziehungen wollen gepflegt werden. Den Telefonhörer in die zu Hand nehmen, sich zu einem Spaziergang zu verabreden oder Unterstützung anzubieten, dort wo Bedarf besteht, fördert das soziale Netzwerk. Die auch als „Act of Kindness“ bezeichneten Freundlichkeiten und Hilfsangebote an andere sollen sogar glücklicher machen.
Gelassenheit trainieren:
Auch wenn Neurotizismus zu den sogenannten „Big Five“ der Persönlichkeitseigenschaften gehört und damit als relativ stabil gilt, zeigen Studien, dass Gelassenheit durchaus trainiert werden kann. Besonders wirksam haben sich in Studien Achtsamkeitstrainings und Meditation erwiesen. Mit Methoden wie Atemmeditationen oder dem Bodyscan kann bei regelmäßiger Anwendung das Stressniveau langfristig gesenkt werden.[4] Krankenkassen bieten deshalb ebenfalls Kurse der „Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion“ an. Auch Bewegung bringt körperliche und geistige Entspannung, sei es durch Ausdauersport oder Body-Mind-Methoden wie Yoga, Qi Gong oder Tai Chi. Wer die Methoden ausprobieren will, findet zahlreiche Videos auf Youtube. Wichtig bei allen Methoden ist jedoch die regelmäßige langfristige Anwendung. Kognitive Methoden der Selbstberuhigung sind sich selbst gut zureden, konstruktive innere Dialoge und bei Grübel-Gedanken ein inneres Stoppschild setzen oder Selbstmitgefühl nach Kristin Neff[5] praktizieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, auch wenn der Corona-Lockdown große Belastungen mit sich bringt, hat jeder von uns dennoch Möglichkeiten, seine persönliche Resilienz zu stärken, um besser mit den Belastungsfaktoren umzugehen.
Mit unseren Resilienz-Vorträgen, Resilienz-Seminaren und Resilienz-Coachings unterstützen wir und begleiten wir Menschen, ihre Resilienz zu stärken. Wir vermitteln wirksame Methoden, die helfen, trotz widriger Umstände ein mentales und emotionales Schutzschild aufzubauen. Sie lernen dabei auf kognitiver und körperlicher Ebene einen gesunden Umgang mit belastenden und stressigen Situationen.
[1] https://www.nature.com/articles/s41398-020-01150-4.pdf: Ver et al.: Psycho-social factors associated with mental resilience in the Corona lockdown
[1] Seligman, Martin: „Flourish - Wie Menschen aufblühen: Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens“ München 2012
[2] Horx, Matthias: „Die Zukunft nach Corona – wie eine Krise die Gesellschaft, unser Denken und Handeln verändert“ Berlin 2020
[3] 27.12.20 bei „Dr. Wimmer“ (NDR)
[4] U.a. in Dobos, Gustav: „Die gestresste Seele“ München 2021
[5] Neff, Kristin: „Selbstmitgefühl: Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden“ 2012 München
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