Entscheiden ist anstrengend
Kennen Sie das: Sie stehen vor dem Supermarktregal und haben die Qual der Wahl? Der neue Handyvertrag, der nächste Urlaub oder das Jobangebot in einer anderen Stadt – wie machen wir alles richtig? Das riesige Angebot unserer globalen, komplexen Welt hat seinen Preis: Bewusste Entscheidungen zu treffen ist für das Gehirn äußerst strapaziös. Wer vor dem Regal mit 60 verschiedenen Shampoo-Angeboten steht, greift deshalb am liebsten zu dem, was er bereits kennt.
Gute Entscheidungen nutzen Gefühl und Verstand
Noch in den 90er Jahren glaubte die Wissenschaft nur an den Verstand: Nur unsere Ratio sei in der Lage, die richtige Wahl zu treffen. Inzwischen ist klar, wenn wir alle Informationen beschaffen und sie analysieren, dauern Entscheidungen zwar länger, sie werden aber nicht besser. Der portugiesische Neurowissenschaftler Antonio Damasio hat als erster bewiesen, dass gelungene Entscheidungen Gefühle brauchen. Manchmal wissen wir gar nicht, warum wir etwas oder jemanden nicht mögen, haben aber ein ungutes Gefühl. Was sich hier meldet nennt der Gehirnforscher Gerhard Roth „emotionales Erfahrungsgedächtnis“[1]. Dort sind all unsere Erfahrungen gespeichert und werden bei Bedarf blitzschnell abgerufen. Der Volksmund spricht dann von Intuition oder Bauchgefühl. Damasio bezeichnet diese körperlich wahrnehmbaren Gefühle als „somatische Marker“. Das Erfahrungsgedächtnis kennt nur zwei Kategorien: mag ich oder mag ich nicht. Dies hilft, aus einer Vielzahl von Alternativen eine Vorauswahl zu treffen. Und hier sind sich die Wissenschaftler inzwischen einig: Wir sollten unbedingt dieses Gefühl in unsere Entscheidungen mit einbeziehen. Allerdings haben die „Bauchentscheidungen“ auch Grenzen und zwar dort, wo Erfahrungen fehlen.
Warum Sie bei Entscheidungen auf Ihr Gefühl hören sollten
Ein ungutes Gefühl ist ein wichtiges Warnsignal. Wer das Unbehagen ignoriert und trotzdem handeln will, braucht Disziplin. Maja Storch bezeichnet diese Handlungsweise als „Selbstkontrollmodus“. Handeln im Selbstkontrollmodus ist anstrengend. Kommen dann zusätzliche Belastungen dazu, werden die „vernünftigen“ Ziele aufgegeben; die guten Vorsätze bleiben schnell auf der Strecke. Wer häufig seine Gefühle ignoriert und sein Leben vorwiegend im Selbstkontrollmodus verbringt, droht auf Dauer krank zu werden. Umgekehrt gilt: Ein Mensch ist umso zufriedener mit seinem Leben, je häufiger seine Entscheidungen von guten Gefühlen getragen werden. „Psychisches Wohlbehagen entsteht, wenn die Bewertung aus dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis - die unbewusste Bewertung - und die Analyse des Verstandes - die bewusste Bewertung - zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen,“ so Maja Storch. [2]
Wichtige Tipps, damit Ihre Entscheidungen gelingen
Das richtige Maß an Informationen
Ihr emotionales Erfahrungsgedächtnis kann nur dort gut entscheiden, wo es über Erfahrungen verfügt. Wo Kenntnisse und Erfahrungen fehlen, brauchen Sie Informationen. Aber Vorsicht: Wer alles wissen will und sein Gehirn mit Informationen überfrachtet, verschlechtert und verzögert die Entscheidung. Hier gilt daher der bekannte Satz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Entspannt geht’s besser
Stress und Druck behindern den Zugang zum emotionalen Erfahrungsgedächtnis. Gerade in Stresssituationen werden daher übereilte und falsche Entscheidung getroffen. Verschaffen Sie sich wenn möglich etwas Zeit: „Das kann ich nicht sofort entscheiden. Ich muss erst einmal darüber nachdenken.“ Auch „eine Nacht darüber zu schlafen“ verbessert den Zugang zum Gefühlssystem.
Mehr Handlungsmöglichkeiten schaffen
Durch Stress entsteht ein Tunnelblick, der den Blick auf weitere Handlungsoptionen verstellt. Mit einer Alternativenliste können Sie Ihr kreatives Potential aktivieren. Die Aufgabe dabei ist, in kurzer Zeit mindestens 10 Alternativen schriftlich aufzulisten. Wie immer beim Brainstorming dürfen hier auch etwas verrückte Lösungen dabei sein. Dann, nach einer Pause, bewerten Sie – ganz emotional - die Alternativen und erstellen so Ihre Hitliste.
Unterstützung durch „Fremdgehirne“
Wer in einem Problem feststeckt, wird schnell „betriebsblind“. Der Blick auf Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen ist verstellt. Fragen Sie deshalb andere Menschen nach ihren Ideen. Die meisten Menschen geben gerne Rat und werden Ihnen helfen, zusätzliche Wege zu sehen.
Es muss nicht die perfekte Entscheidung sein
„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als ständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird“ wusste schon Charles de Gaulle.
Bei tausenden von Wahlmöglichkeiten gibt es nicht die eine perfekte Entscheidung. Wer Angst vor der falschen Entscheidung hat, legt sich gar nicht mehr fest und verliert langfristig. Jede Entscheidung ist besser, als keine Entscheidung. Werfen Sie also ruhig eine Münze, wenn Sie in einem Entscheidungsdilemma feststecken.
Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)® nutzen
„In welche Richtung soll mein Leben jetzt gehen?“ „Was ist jetzt gerade wichtig für mich?“ „Wie gelingt es mir, eine Krise gut zu bewältigen?“ Das an der Universität Zürich entwickelte Modell hilft wichtige Lebensfragen zu klären, persönliche Ziele zu finden und diese mit voller Kraft anzugehen. In unserem Seminar „Vom Wünschen zum Handeln – erreichen, was ich wirklich will“ sowie in individuellen Coachings nutzen wir das Modell, um Verstand und Gefühl zu koordinieren und so mehr Kraft und Energie zu mobilisieren. Unseren Teilnehmern gelingt es damit, Entscheidungen zu treffen, die sie langfristig zufrieden machen und diese im Alltag beharrlich umzusetzen.
Autorin: Petra Weber
[1] Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Frankfurt am Main, Suhrkamp
[2] Maja Storch: Das Geheimnis kluger Entscheidungen. Piper, München.
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