In herausfordernden Zeiten steigt bei vielen Menschen der Sorgenpegel. Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt, globaler Klimawandel, Wirtschaftsflaute, demografischer Wandel, zunehmender Fachkräftemangel, unabsehbare Folgen der KI-Entwicklung und vieles mehr - Gründe, sich Sorgen zu machen, gibt es wahrlich genug. Den Deutschen sagt man nach, dass sie besonders gut darin sind, sich Sorgen zu machen. Der Begriff “German Angst“ beschreibt diese Neigung, viele Sorgen und Ängste zu haben. Doch das schadet mehr als es nützt. „Unglücklich ist die Seele, die des Zukünftigen wegen ängstlich ist, und elend ist schon vor dem Elend…“ wusste schon der Philosoph Seneca. Dass er Recht hat, wird inzwischen auch von den Neurowissenschaften bestätigt.
Warum schadet es, sich zu viele Sorgen zu machen?
Wer sich viele Sorgen macht oder ständig grübelt, denkt nach, ohne zu handeln. Sich Sorgen zu machen ist der verständliche, aber vergebliche Versuch unseres Gehirns, die Zukunft kontrollieren zu wollen. Leider hilft Sorgenmachen überhaupt nicht. Im Gegenteil: Zu viele Sorgen rauben Kraft und Energie. Wer die Zukunft ständig schwarz malt, sieht bald auch die Gegenwart nur noch düster.[1]
Welche Folgen hat zu viel Grübeln und Sorgenmachen?
Viele Studien zeigen, dass zu viel Grübeln und sich Sorgenmachen zu einer inneren Lähmung führt, die blockiert und Lösungen sogar verhindert. Grübeln lähmt die Planungs- und Entscheidungsfähigkeit. Nach Ansicht des Psychologen Ethan Kross von der University of Michigan sabotiert die ständige Beschäftigung mit unseren Sorgen und Nöten effektiv jedes zielgerichtete Handeln. Der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Volker Busch bezeichnet dieses Zuviel an Nachdenken, Grübeln und Sorgemachen als Overthinking – eine Art „Denkvergiftung“ [2]. „Im denkvergifteten Zustand kann unser mentales Immunsystem schlechte Stimmungen und Ängste kaum noch abwehren.“ Und das hat Folgen:
Es ist daher wichtig, Methoden zu lernen, um aus dem Zuviel an Denken auszusteigen und damit resilienter und handlungsfähiger zu werden.
Wie gelingt es, sich weniger Sorgen zu machen?
Es ist gar nicht so einfach, aus den sich selbst nährenden negativen Gedankenschleifen - auch Rumination genannt - auszubrechen. Gedanken-Detox gelingt vor allem durch inneren Abstand und durch „Gegengift.“ Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Das eigene Denken in Frage stellen[3]:
Bei dieser Methode wird das Nachdenken analysiert und hinterfragt:
Ziehen Sie nach diesen drei Fragen eine ehrliche Bilanz: was gewinne ich, wenn ich weiterhin so angestrengt nachdenke, und welchen Preis muss ich dafür zahlen? Falls die Kosten den Nutzen übersteigen, beenden Sie das Denken und lenken Sie sich ab.
Ablenkung als Gegengift gegen zu viele Sorgen nutzen
Die konsequente Ablenkung vom Problem durch die Beschäftigung mit etwas anderem ist ein wirksames Gegenmittel gegen Sorgen. Ablenkung führt zu einer gefühlsmäßigen Beruhigung, Angst und Ärger nehmen ab. Als Ablenkung eignet sich alles, was den Kopf so beschäftigt, dass für die Sorgengedanken kein Platz mehr ist. Das gelingt durch Beschäftigungen wie Sudoku, Kochen, ein spannendes Buch, Gärtnern, Klettern, Malen, Basteln und auch Computerspiele können helfen. Ins Tun kommen ist ein wirksames Gegengift bei zu viel Denken.
Bewegung in der Natur als Anti-Sorgenmittel
Wenn wir uns viel in der Natur bewegen, hat das laut Prof. Busch eine sehr heilsame Wirkung auf das Grübeln. Studien zeigen, dass Bewegung in der Natur positive Einflüsse auf den präfrontalen Cortex sowie auf die Amygdala hat und damit dem Grübeln entgegenwirkt. Nach Bewegung in der Natur grübeln wir weniger, denken stattdessen konstruktiver und fühlen uns gleichzeitig emotional weniger belastet. Hier gilt sogar, je häufiger, umso besser. Wer sich besonders viel bewegt, verfügt über ein stärkeres kognitives Kontrollzentrum, um dem Negativdenken entgegenzuwirken. Auch der Anblick der Natur spielt dabei eine Rolle: Das Grün der Natur beruhigt und reduziert nachweislich Stress und Anspannung.[4]
Mentale Methoden, um sich von schädlichen Grübeleien zu distanzieren
Die völlige Verschmelzung mit unserer gedanklichen Realität wird als „kognitive Fusion“ bezeichnet. Dabei werden wir von unseren Gedanken so vereinnahmt, dass wir uns mit ihnen identifizieren und uns kaum mehr aus dem Sog der Gedanken lösen können. Bei zu viel Grübeln ist es daher besser, sich vom eigenen Denken etwas zu distanzieren. Ziel der kognitiven Defusion ist es daher, eine innere Distanz zu den quälenden Gedanken zu schaffen und eine Trennung zwischen dem Denken und dem Selbst herzustellen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Methoden, die dabei helfen, inneren Abstand zu Grübelgedanken zu gewinnen. Hier einige Beispiele:
Der gerahmte Gedanke [5]
Stellen Sie sich den störenden Sorgengedanken auf einem gerahmten Gemälde vor und hängen Sie Ihr Bild gedanklich an eine Wand. Dieses Bild zeigt nun Ihren Sorgengedanken. Sie haben ihn aus sich herausgeholt und er hängt wie ein Objekt vor Ihnen. Durch den Rahmen kann er nicht heraus. Stellen Sie sich nun vor, wie Sie vor dem Gemälde stehen und diesen Gedanken betrachten. Gehen Sie nun noch weiter auf Abstand zu diesem Gedanken, in dem Sie sich in Ihrer mentalen Vorstellung rückwärts bewegen, so dass das Gemälde immer kleiner wird. Der Gedanke bleibt als Bild an Ort und Stelle hängen und kann Sie nicht verfolgen. Außerhalb des Rahmens hat er keine Bedeutung und keine Einflussmacht. Mit jedem Schritt, den Sie sich von dem Bild entfernen, wächst Ihr Abstand zu dem Gedanken.
In Selbstdistanz gehen – mentale Selbstdistanzierungsmethoden nutzen
Die Selbstdistanzierung geht noch einen Schritt weiter und ist die stärkste und effektivste Form der mentalen Distanzierung. Sie erfordert zwar etwas Übung, hat aber Studien zufolge eine sehr gute Wirkung. Selbstdistanzierung bedeutet, die Welt nicht aus der Ich-Perspektive zu betrachten, sondern sich selbst und das Geschehen um einen herum von außen zu betrachten. Dieser Perspektivwechsel beruhigt, baut Stress ab und fördert gleichzeitig unsere Kreativität, die wir für die Lösungsfindung nutzen können.
Die Gedanken wie ein Radio im Hintergrund laufen lassen [6]
Unser denkendes Ich ist ein bisschen wie ein Radio, das ständig im Hintergrund läuft. Bei Gedankenschleifen und Sorgen ist der Sender „Ojemine“ eingeschaltet. Wie bei einem Radio, das im Hintergrund läuft, können wir unsere Aufmerksamkeit auch auf andere Dinge richten. Gedanken sind letztlich nur Sprachfetzen und können wie die Hintergrundgeräusche eines Radios behandelt werden. Wenn das denkende Ich - das ständig laufende Radio - etwas Unerwünschtes sendet, kann mit etwas Übung das beobachtende Ich aktiviert werden. Das beobachtende Ich kann die Gedanken einfach zur Kenntnis nehmen und sich dann wieder dem zuwenden, was wir hier und jetzt gerade tun.
Fazit: Zu viel Nachdenken über Probleme ohne Handeln nützt nicht, sondern schadet. Es kostet Kraft und hemmt die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Deshalb ist es wichtig zu lernen, aus dem Overthinking auszusteigen. Dazu gibt es verschiedene Methoden: das Nachdenken auf seine Wirksamkeit überprüfen, Ablenkung, Bewegung in der Natur und Methoden, um Abstand zu den Gedanken zu gewinnen.
Autorin: Petra Weber, Beraterin und Coach im Coachingzentrum Heidelberg
[1] PSYCHOLOGIE HEUTE. Februar 2024. „Von hier aus kann ich meine Sorgen kaum noch sehen“. S. 14 ff
[2] Busch, Volker: Kopf hoch – Mental gesund und stark in herausfordernden Zeiten. (2024) S. 154 ff
[3] Busch V.: S. 157
[4] Busch V.: S. 168 ff
[5] Busch V.: S. 179
[6] Harris, Russ: Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei – Ein Umdenkbuch." (2013) S. 113
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